Eine Eizelle für ein Kind

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BUENOS AIRES (dpa). Die argentinische Hauptstadt Buenos Aires war lange Zeit vor allem als Zentrum der plastischen Chirurgie bekannt. Inzwischen aber reisen immer mehr Touristinnen an, um schwanger zu werden – und verlassen sich dabei auf das Können von Ärzten. Reiseagenturen haben bereits eine neue Sparte im Programm: „Reproduktionstourismus“ am Río de la Plata.
Claudia und Juan versuchen in ihrer Düsseldorfer Heimat seit zwei Jahren, auf natürlichem Wege ein Kind zu bekommen. Sie ist 37, er 41 – die biologische Uhr tickt. Nach Buenos Aires sind sie gekommen, um der Natur mit einer ICSI nachzuhelfen, einer sogenannten intracytoplasmatischen Spermieninjektion. In Deutschland hätte die Krankenkasse sogar die Hälfte der Kosten übernommen. Aber das Paar hat es dort gar nicht probiert: „Wir wollten damit nicht zu einem deutschen Arzt“, sagt Juan. „Der Umgang mit den Menschen ist hier viel wärmer, viel persönlicher“, ergänzt Claudia. „Wir können unseren Arzt hier sogar auf dem Handy anrufen.“
Der „Klapperstorch“ hat sein Nest mitten im Zentrum von Buenos Aires. Das CEGyR ist eines der renommiertesten Institute der Stadt. Hier residiert Dr. Demián Glujovsky, gefeierter Reproduktionsspezialist und Leiter des hiesigen Eizellen-Spendeprogramms. „Die meisten Ausländer kommen wegen dieser Behandlung“, sagt der 35-Jährige. Etwa 400 Paare seien es pro Jahr, etwa 15 Prozent seiner Patienten. Der Grund: „Eine Schwangerschaftsrate von 50 Prozent bei vergleichsweise niedrigen Kosten.“ In den USA und Kanada kostet eine solche Behandlung 20 000 Dollar (15 000 Euro), in Südamerika nur etwa 5000 Dollar. In Deutschland ist die Eizellenspende sogar ganz verboten.

Auf die Frage nach seinem Erfolgsrezept sagt Glujovsky: „Man darf die Zahlen nicht aufblasen. Man muss die Informationen teilen und dann gemeinsam mit den Betroffenen entscheiden.“ Das Telefon klingelt permanent, Glujovksy geht jedes Mal ran. „Ich beantworte den ganzen Tag E-Mails. Klar stresst mich das – aber noch viel mehr stresst es mich, nicht zu antworten. Die Leute stehen ja unter Druck. Für mich sind das ein paar Minuten, die Patienten stehen unter dem Druck von fünf Jahren ohne Baby.“
Die persönliche Betreuung ist das eine, die seit Argentiniens Wirtschaftskrise 2001 abgewertete Währung Peso das andere. Ein weiterer Faktor ist eine Lücke im Gesetz: Wo nichts verboten ist, ist alles erlaubt. Eine merkwürdig anmutende Unterlassung in einem Land, in dem Abtreibung vom ersten Tag der Schwangerschaft an verboten ist.

Für Claudia und Juan ist die Lücke praktisch: Sie konnten in Buenos Aires gleich ein paar befruchtete Eizellen einfrieren lassen, für weitere Versuche. „Mit der Post geht das ja schlecht“, witzelt Claudia. In Deutschland ist auch das verboten. Nach dem deutschen Embryonenschutzgesetz darf nur am ersten Tag, im sogenannten Polkörperstadium, die Eizelle manipuliert werden. Ab dem zweiten Tag hat die Eizelle den rechtlichen Status eines Embryos, der aus ihm werden kann.
Ab wann für ihn aus einem Zellhaufen ein Mensch wird? Glujovsky weicht aus. Die ethischen Grenzen, die er setzt, sind rein intuitiv. „Das hat was mit gesundem Menschenverstand zu tun: Frauen über 50 behandle ich nicht. Das würde ja heißen, ein Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit noch im Teenageralter zum Waisen zu machen.“ Ob er auch homosexuellen Paaren zu einer Schwangerschaft verhelfen würde? „Nach solchen Dingen fragen wir nicht.“

Das Erfolgsrezept

Die Eizellenspenden für das Programm der CEGyR stammen von Frauen, die nach internationalen Standards ausgesucht werden. Die Spenderinnen bleiben anonym. Damit will das Institut Verhältnissen wie in den USA vorbeugen. Dort kann man sich auf einschlägigen Internetseiten Fotos, Uni-Abschlüsse oder „besondere Fähigkeiten“ der potenziellen Spenderinnen ansehen und je nach Möglichkeit auch mal mehr bezahlen. Glujovsky sagt hingegen: „Wir sind kein Supermarkt.“
Trotzdem: Die Grenzen zwischen ärztlicher Kunst und Kommerz sind fließend in Zeiten des Internets. Glujovskys Website preist auch die Schönheiten der Hauptstadt und verlinkt direkt auf einen Concierge-Service, der den potenziellen Patienten anbietet, bei allem zu helfen, was der ahnungslose Reproduktionstourist brauchen könnte.
Claudia und Juan haben ihren Freunden in Deutschland nichts von dem Grund ihres Argentinien-Aufenthalts erzählt. Es müsse ja keiner mitbekommen. „Schwanger ist schwanger“, sagt Claudia. Die beiden müssen los – in die Apotheke. Hormone kaufen für die Behandlung. Am folgenden Tag soll es losgehen.

Quelle: kma-online

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